Pflegekompetenz- gesetz: Ein Systemwechsel in der Pflege deutet sich an

Kurz vor Weihnachten hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Eckpunktepapier zum sog. Pflegekompetenzgesetz veröffentlicht. Flankiert und unterstützt wurde er dabei vom Präsidenten der Bundesärztekammer Klaus Reinhard sowie der Präsidentin des Deutschen Pflegerates Christine Vogler. Wer nun am anstehenden Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden soll, ist noch unklar. Lauterbach skizziert aber schon sehr konkret, wie den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus in der Pflege zukünftig Befugnisse in medizinisch-behandlungspflegerischen Aufgabenfeldern zugeordnet werden sollen. Auf die verpflichtende Umsetzung und Evaluation länderspezifischer Modellvorhaben wird nun offenbar verzichtet, denn als Grundlage nennt er § 14 des Pflegeberufegesetzes, der bereits die Möglichkeit zur Befähigung von Pflegefachpersonen während oder nach der generalistischen Ausbildung vorsieht.

Ein Grundstein ist aber bereits gelegt: Für die Heilkundebefähigung wurden schon im Jahr 2021 entsprechende Qualifizierungsmodule von der Fachkommission nach § 53 PflBG vorgelegt. Konkret ist die Heilkundeübertragung nun in den Handlungsfeldern Demenz, Diabetes und chronische Wunden vorgesehen. Die Befähigung dazu würde über ein Grundlagen- und drei Fachmodule im Umfang von insg. 1.260 Stunden erfolgen, oder durch vergleichbare Fachweiterbildungen, die aber nicht genauer definiert wurden. Die gesetzlichen und fachlichen Parameter zur Heilkundebefähigung wären somit bereits vorhanden.

Ziele und Versprechen

Mit dem in Kraft getretenen Pflegestudiumstärkungsgesetz und dem zukünftigen Pflegekompetenzgesetz soll nun auch eine Art „Akademisierungs-Turbo“ gezündet werden, der grundständigen Bachelor- und besonders den Master-Absolvent*innen noch weitergehende Befähigungen und Befugnisse geben soll. Damit sind nun die Hochschulen in der Pflicht, in naher Zeit entsprechende Studiengänge zu konzipieren, zu akkreditieren und Netzwerke mit geeigneten Praxisträgern zu knüpfen. Wie schnell ein flächendeckender Aufbau der Studiengänge gelingen wird, bleibt abzuwarten. Zentrales Element ist auch hier die Übertragung der Heilkunde und die Möglichkeit, Therapien und Hilfsmittel zu verordnen. Im Speziellen wird in den Eckpunkten der Master-Abschluss „Advanced Practice Nurse“ (APN) mit dem Schwerpunkt „Community Health Nurse“ (CHN) genannt, womit auch eine Kompetenzübertragung hin zur Pflege erfolgen und dem weiter fortschreitenden Ärztemangel Rechnung getragen werden soll. Vieles deutet darauf hin, dass diese akademisierten Pflegekräfte besonders in Gesundheitskiosken und Level-1i-Kliniken dann die Verantwortung tragen, wofür aber sicherlich nicht nur medizinische, therapeutische und pflegefachliche Fähigkeiten erforderlich sind, sondern auch Kompetenzen im Bereich Case-, Personal-und Organisationsmanagement.

Offene Fragen und Bedenken

Allerdings wird im Eckpunktepapier an keiner Stelle darauf eingegangen, wie eine zukünftige tarifliche und arbeitsrechtliche Verortung der „akademisierten“ Pflegekräfte im Verhältnis zu dual ausgebildeten Pflegekräften erfolgen soll. Und auch nicht, welche Institutionen dafür zuständig sein und darüber die Aufsicht haben werden. Sehr vage wird im Eckpunktepapier eine Art bundesweite Pflegekammer angedeutet, was einen Paradigmenwechsel im Bereich der beruflichen Selbstverwaltung und Autonomie der Pflegenden darstellen würde. Sicherlich wäre die institutionalisierte Pflege ein wesentlicher Baustein zur Regulierung, trifft derzeit aber auf die sehr zersplitterte Interessenlage von Arbeitgebern, Kostenträgern, Gewerkschaften und bei den Pflegenden selbst.

Die Heilkundeübertragung auf Pflegende ist damit nun keine Frage mehr des „ob“, sondern des „wann“. Vor allem in der häuslichen Pflege besonders im ländlichen Raum ist aber schon längst ein enormer Bedarf dafür vorhanden. Wo die haus- und fachärztliche Versorgung durch eine schnell alternde Bevölkerung kaum noch sichergestellt werden kann, müssen Pflegekräfte eigenständig entscheiden und handeln können. Wir sind daher der Ansicht, dass die Heilkunde-Befähigung umgehend beginnen sollte und keinesfalls nur an Hochschulen erfolgen darf. Sie muss auch an den Aus- und Weiterbildungsstandorten angesiedelt werden, die es bereits in der Fläche gibt. Mit dem PflBG, der damit verbundenen Akademisierung des Lehrpersonals und der Schaffung von Skills-Labs ist bereits ein hohes Anforderungsniveau geschaffen worden.

Die Ausbildungsträger sind bereit für die Heilkundeübertragung. Jetzt braucht es noch entsprechende Finanzierungslösungen – und zeitnah die ordnungs-, haftungs- und leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Pflegenden.

 

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