Worte zum ersten generalistischen Ausbildungs-Abschluss

Der erste Jahrgang der neuen, generalistischen Pflegeausbildung hat nun bundesweit die Abschlussprüfungen hinter sich gebracht. Sie dürfen nun mit Stolz als erste Kohorte die neue Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ und „Pflegefachmann“ tragen. Dieser Titel berechtigt die Absolvent*innen, Menschen in allen Lebensphasen pflegerisch zu versorgen – vom neugeborenen Säugling bis zum Senior in der letzten Lebensphase. Sie sind in dieser Ausbildung auch auf vielfältige Einsatzorte vorbereitet worden: Die ambulante und stationäre Altenhilfe, die meisten Klinikbereiche sowie die Pädiatrie und die Psychiatrie. Und mit diesem Abschluss erhalten sie auch die europaweite, berufliche Gleichstellung und Anerkennung… und können damit sowohl im kühlen Skandinavien als auch im heißen Südeuropa als Fachkräfte arbeiten.

In den drei Jahren Ausbildung hatten „die Ersten ihres Standes“ aber auch mit ganz besonderen Herausforderungen zu kämpfen:

Der Ausbildungsstart begann zeitgleich mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, die unser Gesundheitssystem über alle Maßen belastet hat. Die „generalistischen Pioniere“ fanden ein Arbeitsumfeld vor, das sich ständig im „Krisenmodus“ befand. Häufige Ausbruchsgeschehen, ein enges Testregime und ständig wechselnde gesetzliche Anforderungen haben an den Nerven gezerrt, und ziemlich schnell hat sich gezeigt, welche ungeheure Bedeutung der Begriff „Resilienz“ hat… selbst in der Ausbildung schon. In manchen Einrichtungen stand der schwierige Umgang mit Sterben und Tod auf der Tagesordnung.

Das neue Berufsbild – und was damit an veränderten Anforderungen in der Ausbildungspraxis verbunden ist – war und ist manchen Einrichtungen noch gar nicht richtig bekannt. Denn es geht darum, die Auszubildenden zu befähigen, Pflege- und Notfallsituationen analysieren, individuelle Unterstützung leisten und den Pflegeprozess steuern zu können, und nicht nur darum, körperliche Grund- und medizinische Behandlungspflege zu erlernen. Zudem sollten die Klienten und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen, sie und die Angehörigen dazu beraten und begleiten zu können, im multiprofessionellen Team zu agieren… und das Ganze auf der Grundlage pflegewissenschaftlicher, rechtlicher und ethischer Maßstäbe.

Viele Praxisstellen hatten (und haben) noch Mühe, die gesetzlich verpflichtende Praxisanleitung sicher zu stellen. Hier ist schon sehr viel an Qualifizierung und Neukonzipierung gelaufen, doch braucht es für die Ausbildung nicht nur personelle und zeitliche Ressourcen, sondern auch ein neues Verständnis über die Rolle und Aufgaben der Praxisanleitung im Betrieb… damit Auszubildende am Lernort Praxis komplexe Sachverhalte erklärt bekommen, verstehen und Handlungskompetenz entwickeln können.

Aber auch in den Pflegeschulen war noch viel Entwicklungsarbeit nötig. Neue Lehrpläne mussten analysiert und umgesetzt werden, womit eine komplette Neuausrichtung der Unterrichtsschwerpunkte und -inhalte verbunden war. Sowohl Pflegetheorie als auch Pflegepraxis mussten sich dem neuen Anforderungsprofil der generalistischen Kompetenzbereiche und Tätigkeitsfelder anpassen. Das hat Schulleitungen und Lehrerkollegien über den gesamten Zeitraum begleitet. Und nun wurden natürlich auch noch neuartige Prüfungsformen durchgeführt, mit denen selbst die Regierungsbehörden zum ersten Mal befasst waren.

Eine der größten Herausforderungen war in diesen Jahren der erzwungene Distanzunterricht, der mit vielfältigen Methoden, aber natürlich auch mit unterschiedlicher Qualität, stattgefunden hat. Hier waren viele Lehrende selbst wieder Lernende… und die launische Technik hat auf beiden Seiten des Bildschirmes viel Kraft und Nerven gekostet. Häufig mussten auch gleichzeitig die Kinder versorgt werden, weil Betreuungseinrichtungen geschlossen waren. In manchen Fällen waren es aber auch die eigenen Kinder, die – bei Lehrenden als auch Lernenden – die digitale Kompetenz erweitert und bei technischen Problemen geholfen haben.

Diese Vielzahl an Einflussgrößen hat in der Summe dazu geführt, dass es deutlich mehr Ausbildungsabbrüche gab, als zu erwarten war. Leider muss von einem „Drop-Out“ von einem Drittel bis zur Hälfte des Ausbildungsjahrganges 2020 ausgegangen werden. Diese ernüchternden Erfolgszahlen sind noch nicht gesichert und evaluiert, aber sicherlich nicht auf das neue Pflegeberufegesetz zurückzuführen, denn wir hatten in den Jahren 2020 und 2021 Rekordzahlen bei den Ausbildungsbeginner*innen. Mit über 60.000 Auszubildenden steht die Pflegeausbildung an der Spitze aller Ausbildungsberufe… und auch das Ansehen der Pflegeberufe immer noch ganz weit vorne (knapp hinter der Berufsgruppe Feuerwehr).

Die „ersten ihres Standes“ gehören jedenfalls zu den begehrtesten Absolvent*innen unsere Landes und können sich zukünftig ihre Arbeitgeber selbst aussuchen. Und hier werden sie sich bestimmt sehr gut und genau daran erinnern, wo sie die meiste Wertschätzung und beste Begleitung während der Ausbildung erhalten haben. Sie werden also gut abwägen, wo sie in Zukunft für andere Menschen da sein UND sich selbst auch weiterentwickeln können.

Wir bedanken uns für ihr persönliches Durchhaltevermögen und ihre berufliche Leidenschaft. Mögen sie für sich und ihre Zukunft eine gute Entscheidung treffen. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

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